Sie ist Prorektorin für Studium und Lehre – und Mutter von fünf Kindern. Warum Prof. Dr. Jessica Lilli Köpcke an der MSB Wissenschaft und Familie immer miteinander vereinbaren konnte, warum sie keine Elternzeit in Anspruch nahm und warum Vertrauen ein ganz wichtiger Faktor für sie ist, verrät sie im Interview.
Frau Professorin Köpcke, Sie haben Erziehungswissenschaften und Soziale Arbeit studiert, sie forschen und lehren seit über zehn Jahren in der Heilpädagogik. Die Wissenschaft ist also seit Langem ein Teil Ihres Lebens. Wann kam der Wunsch, eine Familie zu gründen?
Sehr früh. Ich habe mein erstes Kind nach dem Bachelorabschluss bekommen. Da war ich gerade 24 Jahre alt. Und das war auch so geplant. Für meinen Mann und mich stand immer fest, dass wir Kinder haben wollten.
Doch die Wissenschaft ließ Sie nicht los, es folgte der Master…
Das Masterstudium habe ich berufsbegleitend absolviert und parallel dazu in der Schulsozialarbeit gearbeitet. Wir hatten in Berlin eine gute Kinderbetreuung, mein zweites Kind kam zur Welt, und ich habe das Glück, dass meine Eltern ganz in der Nähe wohnen. Sie haben uns immer unterstützt – als Großfamilie funktionieren wir auch heute noch richtig gut.
Wann hatten Sie die Gewissheit, dass eine Wissenschaftskarriere das Richtige für Sie ist?
Diese Gewissheit kam erst später. Zunächst ermutigte mich meine Professorin, nach dem Masterstudium eine Doktorarbeit zu schreiben. Im Rahmen meiner Promotion untersuchte ich dann in Leipzig die Bedeutung erworbener Querschnittlähmung für den Lebensverlauf von Menschen. Dafür bin ich drei Jahre lang gependelt und habe als Lehrkraft für besondere Aufgaben meine Leidenschaft für die Lehre entdeckt. Gegen Ende der Promotion war ich erneut schwanger – und merkte plötzlich, dass Wissenschaft und universitärer Alltag für die Familienplanung herausfordernd sind.
Wie ging es für Sie weiter?
Wenige Monate nach der Geburt des dritten Kindes habe ich meine Dissertation verteidigt und die Promotion abgeschlossen. Kurz darauf erhielt ich die Professur für Heilpädagogik an der MSB, was ein absoluter Glücksfall für mich war. Ich erlebte von Beginn an, dass mir Vertrauen entgegengebracht wurde. Schon allein mit der Ernennung – ich war 31 Jahre alt –, aber auch dadurch, dass ich direkt die Studiengangleitung übernehmen konnte. Zwar war der Studiengang damals bereits akkreditiert, aber er befand sich noch im Aufbau – das konnte ich gemeinsam mit meiner Kollegin, einer Professorin für Soziale Arbeit, fortführen.
Sie haben den Studiengang aufgebaut, Lehrende gesucht, Lehrveranstaltungen geplant und selbst gelehrt. In den Folgejahren übernahmen Sie dann erst die Leitung für das Department, waren danach Dekanin und sind jetzt, als Mutter von mittlerweile fünf Kindern, zur Prorektorin gewählt worden. Haben Sie eigentlich Superkräfte?
Mit Sicherheit nicht. (Sie lacht.) So etwas ist nur möglich, wenn alle Beteiligten mitspielen – und wenn die Strukturen stimmen. In unserer Familie klappt die Organisation sehr gut, wir unterstützen uns gegenseitig. Zudem hatte ich Freiraum in der Arbeitsgestaltung, deshalb habe ich auch nie Elternzeit genommen. Die Rahmenbedingungen an der MSB sind offener und flexibler gestaltet als an anderen Hochschulen. Familie setzt hier keine Grenzen, das zeigt mein Weg.
Können Sie dafür ein konkretes Beispiel geben?
Ich übernehme zum Beispiel gern Lehrveranstaltungen, die morgens um acht beginnen. Viele Kolleginnen und Kollegen sind froh darüber – und ich kann am Nachmittag und Abend für die Familie da sein. Natürlich gibt es auch berufliche Termine am Abend, an denen ich teilnehme. Aber das ist gut zu händeln.
In der Forschung sind Sie auch noch aktiv…
Ja, die Forschung ist mir nach wie vor sehr wichtig. Ich bin regelmäßig in Drittmittelprojekte eingebunden. Ein Forschungsschwerpunkt ist das inklusive Wohnen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Hier stehen Biografieforschung und partizipative Ansätze im Mittelpunkt.
Würden Sie Ihre Karriere als gutes Beispiel für Freiheit in Forschung und Lehre bezeichnen?
Ich würde sogar einen Schritt weiter gehen. Diese Freiheit bezieht sich ja in erster Linie auf die Inhalte und Methoden, die gelehrt oder zu denen geforscht wird – und das ist an der MSB selbstverständlich. In meinem Fall habe ich über Lehre und Forschung hinaus zusätzlich die Freiheit, organisatorische Verantwortung zu übernehmen, weil ich das Vertrauen des Rektorats sowie meiner Kolleginnen und Kollegen habe. Das habe ich mir sicher erarbeitet, dafür bin ich aber auch sehr dankbar.